Wie entsteht eine neue Rebsorte
Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten, wie eine neue Sorte entstehen kann:
- In einer bereits bekannten Sorte treten Mutationen auf, die so stark sind, dass sich der mutierte Stock deutlich von der usprünglichen Sorte unterscheidet.
So sind zum Beispiel aus dem Spätburgunder der Weißburgunder und der Grauburgunder entstanden. Diese beiden Sorten unterscheiden sich nur durch die Farbe der Beeren. - Der Stempel der Rebblüte wird von Pollen einer anderen Sorte befruchtet und die daraus entstehenden Kerne treiben aus und wachsen zu einer Pflanze heran.
Normalerweise geschieht dies jedoch sehr selten, da sich die Reben in der Regel selbst befruchten. Das heißt, der Pollen gelangt direkt in der Blüte auf die Narbe und wird so befruchtet.
Bei der Züchtung neuer Sorten wird fast ausschließlich die zweite Methode angewandt. Im Folgenden sehen Sie eine grobe Übersicht über die Schritte, die nacheinander ablaufen. Es handelt sich um einen komplexen und sehr langwierigen Prozess.
1. Zielsetzung und Planung
Zunächst legt der Züchter fest, welche Eigenschaften die neue Sorte möglichst haben soll, z.B. höhere Erträge, bessere Krankheitsresistenz, bessere Weinqualität oder Anpassung an bestimmte klimatische Bedingungen.
Diese Ziele ändern sich im Laufe der Zeit. So stand bis weit ins 20. Jahrhundert hinein die Ertragssicherheit (= höhere Erträge) im Vordergrund. Heute steht mehr die Nachhaltigkeit im Vordergrund, so dass vor allem die Krankheitsresistenz im Vordergrund steht. Natürlich müssen auch andere Eigenschaften passen. Eine resistente Rebe, die keinen oder qualitativ schlechten Ertrag bringt, ist wirtschaftlich nicht vertretbar.
2. Auswahl der Elternpflanzen
Die Auswahl geeigneter Elternpflanzen ist von entscheidender Bedeutung. Diese Pflanzen müssen die gewünschten Eigenschaften aufweisen. Häufig werden resistente Sorten mit Sorten gekreuzt, die gute Fruchteigenschaften haben.
Die Elternpflanzen werden dann nach den gewünschten Zielen ausgewählt. Bis etwa Anfang dieses Jahrhunderts konnte man sich dabei nur am Phänotyp (= Aussehen) orientieren. Man wusste nur aus Erfahrung, welche Sorte welches Merkmal gut vererbt. Das konnte aber bei der nächsten Kreuzung schon wieder anders sein.
Seit 2009 mit Regent das Erbgut der ersten mehltauresistenten Rebsorte entschlüsselt wurde, hat sich die Gentechnik als Hilfsmittel in der Züchtung immer mehr durchgesetzt. So können heute sogenannte Resistenzloci identifiziert werden. Das sind bestimmte Abschnitte auf bestimmten Chromosomen, die für bestimmte Resistenzen verantwortlich sind. Mittlerweile sind vor allem für die Mehltauarten verschiedene Resistenzloci bekannt. Man kann also die Eltern nach dem Vorhandensein dieser Resistenzloci auswählen.
3. Kreuzung
Die Kreuzung erfolgt durch Handbestäubung.
Dazu muss die Mutterpflanze zunächst von Pollen befreit (kastriert) werden. Dies ist eine sehr zeitaufwändige Arbeit, die mit Pinzetten durchgeführt wird und viel Fingerspitzengefühl erfordert.
Danach wird der Pollen der Vaterpflanze gesammelt. Dazu wird in der Regel einfach eine Plastiktüte über einen Blütenstand gestülpt und der Pollen in die Plastiktüte geschüttelt.
Diese Plastiktüte wird dann über die kastrierte Blüte gestülpt, um, wiederum durch Schütteln, den Pollen auf die Narben der einzelnen Blüten zu verteilen.
So entstehen Samen (= Kerne), die die genetische Information beider Elternpflanzen enthalten.
4. Aufzucht der Sämlinge.
Wenn die Trauben reif sind, werden die Kerne der bestäubten Beeren geerntet und getrocknet.
Die aus den Kernen entstehenden Sämlinge werden in einer kontrollierten Umgebung aufgezogen und oft schon in diesem Stadium auf das Vorhandensein bestimmter Eigenschaften getestet.
Bei der Züchtung mehltauresistenter Reben werden diese jungen Sämlinge beispielsweise sofort Bedingungen ausgesetzt, die den Mehltau begünstigen. Wenn die Sämlinge trotzdem wachsen, kann man davon ausgehen, dass eine Resistenz vorhanden ist, und man kann mit einer gezielteren Selektion fortfahren.
5. Selektion
Die Auslese ist ein kritischer Schritt. Hier werden die besten Sämlinge ausgewählt, die die gewünschten Eigenschaften am besten kombinieren. Diese Selektion kann mehrere Jahre dauern und umfasst umfangreiche Tests auf Krankheitsresistenz, Ertrag und Qualität.
Mit den heutigen modernen Methoden kann bereits in einem sehr frühen Stadium auf die bekannten Resistenzloci getestet werden. Dadurch kann die Resistenzprüfung beschleunigt werden.
Daneben werden aber auch alle anderen Merkmale wie Ertrag, Qualität und Habitus geprüft.
6. Testanbau
Erfüllt eine neue Sorte die Kriterien in gewünschtem Maße, wird sie in langwierigen Tests geprüft. muss nun in langwierigen Versuchen ihre Anpassungsfähigkeit an verschiedene Umweltbedingungen (Klima, Boden und Wetter) getestet werden.
Dazu werden die ausgewählten Sämlinge in verschiedenen Regionen und unter verschiedenen Bedingungen angebaut. So wird sichergestellt, dass die neue Sorte nicht nur an einem Ort gut wächst und gedeiht.
7. Prüfung und Zulassung
Nach erfolgreicher Prüfung wird die neue Sorte bewertet und muss häufig von amtlichen Stellen zugelassen werden. Dies beinhaltet die Prüfung auf Einhaltung bestimmter Standards und die Registrierung der Sorte.
8. Vermehrung und Vermarktung
Nach der Zulassung wird die neue Sorte vermehrt, damit genügend Pflanzenmaterial für den kommerziellen Anbau zur Verfügung steht. Schließlich wird die Sorte auf den Markt gebracht und den Winzern zur Verfügung gestellt.
Die Punkte 5 bis 9 werden teilweise parallel durchgeführt, damit eine interessante Sorte möglichst schnell vom Winzer angepflanzt werden kann.
Die Entwicklung neuer Rebsorten kann viele Jahre, oft sogar Jahrzehnte dauern. Sie erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen Züchtern, Wissenschaftlern und Winzern, um erfolgreich zu sein.